Industrielle Prozesswärme – wie gelingt die Transformation zu nicht-fossilen Brennstoffen?
Die industrielle Prozesswärme prägt etliche Produktionsverfahren, bei denen Wärme in sogenannten Hochtemperaturbereichen zwischen 100 und 3000°C erforderlich ist. Im Rahmen industrieller Prozesse werden hierfür rd. 70 Prozent des Gesamtenergiebedarfs der Industrie benötigt. Die Erzeugung erfolgt überwiegend mittels Erdgases und Kohle. Bis 2045 stehen die Unternehmen hier vor der Herausforderung, diese Prozesse zu defossilisieren und erneuerbare Energien einzusetzen. Über die technischen Ansätze zur Lösung dieser Aufgabe bis hin zu den damit verbundenen finanziellen Aspekten wurde am 26. Januar 2022 im Rahmen des Arbeitskreises „Zukunftsenergien“ mit Vertretern der Forschung, der Unternehmen und der Politik diskutiert.
Mit dem Ziel der Klimaneutralität, das die neue Bundesregierung für das Jahr 2045 in Deutschland gesteckt hat, sähen die energieintensiven Unternehmen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit und den Industriestandort Deutschland bedroht und forderten deshalb konkrete Antworten auf die Frage, in welche Technologien sie planungssicher investieren könnten, betonte Eva Schreiner vom Bundesverband der Energie-Abnehmer e.V. (VEA). Dabei gerate vor allem der energieintensive Mittelstand durch die steigenden CO2-Preise, die sukzessive Kürzung der Zertifikate sowie die Forderung nach niedrigem CO2-Footprint am Markt immer weiter in finanzielle Bedrängnis. Woran es allerdings fehle, seien zum einen die technologischen Alternativen zum Erdgas und zur Kohle, die die Elektrifizierung der Prozesswärme ermöglichen und die Scope-1-Emissionsminderung hebelten, zum anderen die nötigen Subventionen, um die Wirtschaftlichkeit aufrechtzuerhalten. Denn die Elektrifizierung sei durch den Strompreis versperrt, der nicht einmal nach dem Wegfall der EEG-Umlage Wettbewerbsfähigkeit ermögliche. Um auf das kostengünstigere Gas verzichten zu können, fordere der VEA daher in Anlehnung an den „Carbon Contracts for Difference“ einen Dekarbonierungsstrompreis.
Prof. Dr. Hanke-Rauschenbach von der Leibnitz Universität Hannover, Institut für Elektrische Energiesysteme, Fachgebiet Elektrische Energiespeichersysteme, skizzierte die technischen Alternativen zur Wärmebereitstellung durch Erneuerbare Energien und die entsprechenden industriellen Anwendungsprozesse. Er erläuterte, dass besonders durch Bio- oder synthetisches Methan, erneuerbaren Strom und grünen Wasserstoff Prozesswärme von bis zu 1500°C und mehr erzeugt werden könnte, die bei der Glasschmelze, der Stahlvergütung, der Schmelzelektrolyse für Aluminium und dem Brennen von Zement benötigt würden. Dabei hob er hervor, dass sich besonders die elektrothermischen Verfahren wie etwa die Infrarot-Erwärmung oder die induktive Erwärmung durch besonders hohe Wirkungsgrade auszeichneten. An die Politik richtete er den deutlichen Appell, dass der Strommix in der Industrie im Vergleich zum Gas als Brennstoff unterm Strich keinerlei CO2-Minderungen bewirke und rechnete vor, dass sich die Kosten der Wärmeerzeugung mit grünem Strom im Vergleich zu Gas verdoppelten. Er zeigte der Politik deutlich auf, dass die Unternehmen mit dieser Erhöhung ihrer Betriebskosten und Finanzierung der klimaneutralen Alternativtechnologien nicht allein gelassen werden dürften.
Klaus Gervelmeyer von der ABC-Klinkergruppe betonte, dass es gerade im Garbrand von bis zu 1200°C im Vergleich zu Erdgas an technischen Alternativen zur Verfeuerung mangele und richtete einen klaren Forderungskatalog an den Gesetzgeber zur Schaffung der Versorgungssicherheit mit Grünstrom. Er plädierte für einen international wettbewerbsfähigen Grünstrom-Preis vor allem im Hinblick auf die hohen Netzentgelte und mahnte, den Ausbau von Anlagen zur Grünstrom-Eigenerzeugung zu vereinfachen, der aktuell durch zeit- und kostenintensive Genehmigungsverfahren verzögert würde.
In der anschließenden Diskussion mit den Abgeordneten Bernhard Herrmann, MdB (Bündnis 90/Die Grünen) und Konrad Stockmeier, MdB (FDP) unter der Moderation von Dr. Annette Nietfeld, Geschäftsführerin des Forum für Zukunftsenergien, wurde die Forderung nach unbürokratischer Eigenerzeugung von Grünstrom aufgegriffen. Beide Abgeordneten betonten den Willen der Ampel-Koalition zur Vereinfachung und Entbürokratisierung. Die Anpassung des EEG bis zum Frühjahr 2022 stellten sie in Aussicht.
Zusätzlich wurde die Frage nach Speicherkapazität von Grünstrom aufgeworfen etwa durch thermische Speicher zur Bereitstellung von „energy-on-demand“ in Form von Dampf oder Wärme, um die grüne Zertifizierung aufrechtzuerhalten, deren Entwicklung finanziell angereizt und vorangetrieben werden müsse. Zur Frage, wie realistisch das im Koalitionsvertrag formulierte Ziel ist, den Anteil der Erneuerbaren Energien bis 2030 auf 80 Prozent auszuweiten, zeigte sich Herrmann optimistisch, dass die genannte zweiprozentige Ausweisung der Landflächen für Windenergie und PV möglich sei; gleichzeitig räumte er jedoch ein, dass die Ablehnung in der Bevölkerung bezüglich des EE-Ausbau zum Teil massiv sei. Die derzeitigen Planungs- und Genehmigungsverfahren werteten dabei beide Abgeordneten als Hindernis, welches entsprechend den Aussagen im Koalitionsvertrag beseitigt werden soll.
Mit Blick auf die Forderung nach einem Dekarbonisierungsstrompreis, der als regulatorische Maßnahme dezidiert in den freien Wettbewerb eingreifen würde, bekannte sich Stockmeier in Anbetracht einer Gefährdung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit zur Notwendigkeit, die Unternehmen zu unterstützen. Konkrete Pläne hätte die Koalition noch nicht erarbeitet.
Herrmann unterstrich, dass er zuallererst das Potenzial der grünen Eigenstromerzeugung (Wind, PV) ausgeschöpft sehen möchte, bevor die hohen Energiepreise aus fossiler Erzeugung für die energieintensiven Unternehmen im Sinne eines Industrie-Strompreises „herunter subventioniert“ würden. Der konkreten Forderung nach Subventionierung der Betriebs- und Mehrkosten in Anlehnung an „Carbon Contracts für Difference“ derjenigen Unternehmen, die ihre Produktion technologisch dekarbonisierten und elektrifizierten, zeigten sich die Abgeordneten grundsätzlich offen, obgleich bisher keine konkreten Gesetzesänderungen in der Vorbereitung seien.
Quelle: Forum für Zukunftsenergien